Falschparken für den guten Zweck
Gestern früh, als ich langsam vom widerlichen Piepsen meines Weckers erwachte, war mein fleißiges Gehirn natürlich schon wieder vor mir voller Tatendrang. Es plapperte unerträglich vor sich hin und als es bemerkte, dass ich zumindest im Anfangsverdacht anwesend zu sein schien, sprach es mich an. „Hömma Schorse“ flüsterte es zunächst rücksichtvoll in meine Richtung, „Kannste nich mich mal was über die Langerfelder Kultur des Falschparkens schreiben?“ Oha, da hatte meine Denkfabrik aber ordentlich Feuer an meine Emotionen gelegt. Am frühen Morgen schon schoss mir der Blutdruck bis in die Stirn und meine Gefühle wallten auf wie ein Tsunami im Pinguinbecken des Wuppertaler Zoos.
Meine Gedanken begannen zu rasen und bevor ich auch nur laut und vernehmlich „Ja“ sagen konnte, war ich schon mit einem kleinen Umweg auf dem Weg zum Bäckereifilialgeschäft meines Vertrauens auf dem Langerfelder Markt. Denn die heutige Aufgabe meines Gehirns reizte mich doch sehr. Ich spazierte gemütlich gegen 07.30 Uhr die Wilhelm-Hedtmann-Straße entlang, schwenkte kurz in die Dieckerhoffstraße für eine kleine Schleife bis zur Grundschule, wendete dort, schlenderte in Richtung Henkelsstraße, mit einer weiteren kleinen Schleife in die Windhorststraße, um unvermittelt über die Inselstraße, Marbod- und Leibuschstraße zurück über Badische Straße, Langerfelder Straße zum Langerfelder Markt zu laufen. Ich tat dabei einfach einmal so, als wäre ich ein Ordnungshüter, der seine Strafzettel im Büro liegen gelassen hatte und somit nur eine gedankliche Liste der Ordnungswidrigkeiten durch Falschparken führen konnte. Mit den eingekauften Brötchen in der Hand vermerkte ich noch flugs die überfüllte Parksituation auf dem Langerfelder Markt und machte mich dann auf den Heimweg, um dort vor der warmen Heizung die theoretischen Verwarngelder zu ermitteln.
Was soll ich sagen? Das Ergebnis verblüffte mich doch sehr. Die scheinbar recht spendenwilligen Langerfelder Autofahrenden drängen der Stadtverwaltung Wuppertal ganz offensichtlich das Geld nahezu auf. Leider scheitern sie offenbar mit ihrer Freigiebigkeit daran, dass die zuständigen Ordnungskräfte vermutlich Langerfeld meiden wie ein Pestgebiet im Mittelalter. Anders ist nicht zu erklären, dass zwar rund um die Sparkasse und die Postagentur in der Schwelmer Straße Knöllchen wegen vergessener Parkscheiben geschrieben werden, jedoch auf das dicke Geld in den angrenzenden Häuserschluchten Langerfelder Gefilde verzichtet wird. Die Liebste meinte, dass sich die blau uniformierten Damen, Herren und Diverse bestimmt nicht trauen, in die Tiefen des „Dorfes“ einzudringen, weil hier so viele handfeste und robuste ehemalige Handwerker und Bandwirker wohnen. Oder so viel Hundedreck auf den Gehwegen herumliegt. Man weiß es nicht, was das Ordnungsamt daran hindert, Langerfeld per pedes zu bestreifen. Tatsache ist es jedenfalls, dass der Stadt Wuppertal durch die Verweigerung der Spendensammlung gabenwilliger Autofahrender ein ziemlich großer Haufen Geld entgeht. Und Geld stinkt bekanntlich nicht so sehr wie Hundekacka.
Ich habe mir gestern also den Spaß erlaubt und bei meinem Rundgang die Verstöße gegen die StVO aufgelistet und summiert. So stellte ich insgesamt 126 Falschparkende fest, die entgegen der Fahrtrichtung (15 € Spendenwert), innerhalb von fünf Metern an Kreuzungen (10 €), auf Gehwegen (55 €), im Haltverbot (20 €) und auf Sperrflächen (25 €) ihre Fahrzeuge abgestellt hatten. Hinzu kam noch der voll geparkte Langerfelder Markt („Ich halte ja nur kurz zum Brötchen holen“) (10 € bzw. 15 € wegen zu hurtigen Fahrens). Ich hatte binnen einer guten Stunde des Spazierengehens eine stolze Spendensammlung von 2.815 € zusammengetragen, die mir bzw. der Stadtverwaltung jedoch leider entgangen ist. Ich bin schließlich kein amtierender Ordnungshüter, auch wenn ich im Einsammeln von Spenden an sich recht guten Erfolg habe. Im Monat kämen also im Rahmen einer typischen Fünftagewoche von öffentlich-rechtlichen Bediensteten ein durchschnittliches Spendenaufkommen von gut 20.330 € zusammen. Das ergäbe allein aus Langerfeld heraus eine jährliche Haushaltskassenbefüllung von rund 244.000 Euro. So sind die Langerfelder, immer bereit, etwas für die große Mutter Wuppertal zu tun. Und sicher würde dieses Beispiel an Freigiebigkeit nicht nur blanken Neid in Ronsdorf, Cronenberg und Barmen erzeugen. Sondern ganz bestimmt auch ebensolche Spendenfreude in den anderen Stadtteilen. Der Wuppertaler Haushalt wäre saniert bis an sein Lebensende. Schwuppdiwupp die Bienenfee gäbe es hier, Dank der Opferbereitschaft der autofahrenden Einwohnerschaft, keine finanziellen Sorgen mehr in dieser Stadt.
So bleibt mir also nur als Fazit des gestrigen Tages, dass die Langerfelder an sich ein überaus freigiebiges und spendenwilliges Völkchen sind. Allein ihrer traditionellen, gewachsenen Schüchtern- und Sturheit ist es offenbar zu verdanken, dass aus der eigentlichen Bringschuld einer Spende eine Holschuld der Stadtverwaltung geworden ist. Und die kommt offenbar ihrer Pflicht nicht nach. So bleibt eben das Geld in Langerfeld und wird fleißig in Einkäufe und Bankkonten investiert. Was ja letztendlich auch nicht schlecht ist. Vielleicht entschließt sich nun aber auch der eine oder andere Falschparkende dazu, die Spende einfach an einen der Langerfelder Vereine zu überweisen. Die könnte man dann nämlich sogar von der Steuer absetzen. Natürlich fänden wir alle es absolut legal, dann auch einmal für einen Tag auf der richtigen Straßenseite zu parken. Schließlich ist es nicht umsonst verboten, falsch herum zu parken. So würden manche Unfälle und Beinahe-Unfälle vermieden. Doch das wäre völlig freiwillig und keine Verpflichtung. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass meine lieben Nachbarn heute für den LTV, morgen für den Bürgerverein, übermorgen für die Philomele und so weiter falsch parken. Vielleicht legen sie dann zusätzlich einen kleinen Hinweis in die Windschutzscheibe. „Heute parke ich falsch für: Die evangelische Kirchengemeinde Langerfeld und habe die 20 € Verwarngeld schon dorthin überwiesen.“ Ach, wie schön das wäre.
Viele Grüße vom spendenden Schorse aus Langerfeld, der sich jetzt an seine Spenden-/Steuererklärung für das Finanzamt Barmen setzt. Aber das ist eine andere Geschichte.