Es knallt
Sie wissen ja, mein Gehirn arbeitet nachts, während ich in meinem gemütlichen Bettchen schlummere. Im Normalfalle erwache ich dann am frühen Morgen durch das Piepsen des Weckers. Neulich jedoch wurde ich wieder einmal hoch über den südlichen Höhen unseres „Dorfes“ Langerfeld von einem gewaltigen Knall aus dem Traum gerissen.
Weil ich aus ferner beruflicher Vergangenheit verschiedene Knallarten voneinander unterscheiden kann, wurde dieses Rumsen von mir als semiprofessioneller Detonationskörper oder als ein sogenannter „Polenböller“ identifiziert. Mein erster Gedanke war, „Was zur Hölle treiben diese Idioten mitten in der Nacht?“ Der zweite Gedanke galt der Gendarmerie und der dritte folgerichtig dem, dass die Untäter schon über alle Täler und Höhen geflohen wären, wenn die Polizisten der Nachtbereitschaft aus dem fernen Elberfeld bis nach Langerfeld geeilt wären. So legte ich mich als wieder schlafen, den festen Gedanken im Kopf, dass der liebe Gott es schon richten wird.
In der morgendlichen Frühe vor dem Badezimmerspiegel musste ich dann jedoch bemerken, dass mein Gehirn da deutlich anderer Meinung war. Es fluchte vor sich hin, fühlte sich durch dumme Knallköpfe gestört und war wütend. Meine Einwände von wegen der biblischen Erziehung in Sachen „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ waren vergeblich. In der Langerfelder facebook-Gruppe, die ich im Übrigen nur bedingt empfehlen kann, kochten die Wogen über die nächtliche Störung durch den Knall schon hoch. Man kann die Kommentare und Beiträge durchaus mit den Wellen einer kleinen Sturmflut vergleichen, gemessen an dem, was da emotional erregt durch Langerfelder Menschen von sich gegeben wurde.
Doch hier muss ich zu meiner Freude notieren, was geschah, als sich die Wogen wieder glätteten. Man schwor sich gegenseitige Aufmerksam- und Wachsamkeit, entschied sich gegen eine Bürgerwehr, beschimpfte keine Ausländer, rief keine Freunde der rechten nationalen Front in die Gruppe und verhielt sich überhaupt vorbildlich zivil und durchaus gegenseitig kalmierend. Das zeugte doch von großartigem gesellschaftlichen Miteinander und Glauben an den Rechtsstaat, oder?
Allerdings vermute ich ganz stark, dass Langerfelder dann doch und gerade in Anbetracht ihrer kleinen Zechenvergangenheit handfester sind, als manch ein Bösewicht vermutet. Berichtet wurde mir in diesem Zusammenhang einmal von einem Einbrecher, der auf frischer Tat vom Eigentümer einer Gartenlaube und dessen Nachbarn erwischt wurde. Den Erzählungen zufolge soll der Bösewicht sehr glücklich gewesen sein, als die Polizei aus der fernen Großstadt Elberfeld endlich eintraf. Durch seine Unsicherheit im Gang soll er mehrfach böse hingefallen sein, wurde berichtet. Das wollen wir nun aber auch gern so stehen lassen.
Jedenfalls knallt es seit geraumer Zeit nicht mehr in Langerfeld. Mag sein, dass die Knallköpfe keine Munition mehr haben, sich ein anderes Hobby suchten oder Kontakt mit einem echten Langerfelder Zechenkumpelnachfahren hatten. Man weiß es nicht und wird es vielleicht nie erfahren. Vielleicht haben wir Langerfelder aber auch den letzten Knall noch nicht gehört, wie man so schön sagt. Und sollte dieser vor unserer Haustür stattfinden, könnten wir ja ausnahmsweise mal kein Selfie unseres verdutzten Gesichtes machen, sondern von den Übeltätern. Unsere Dorfgendarmen würden sich sicher über hübsche Bilder in hoher Auflösung freuen. Wo ich diese Zeilen jetzt gerade schreibe, fallen mir wieder diese Schilder an den Haustüren und Gartenzäunen ein. „Vorsicht, wachsamer Nachbar“. Solche Hinweise in der Art „Vorsicht, Dorfgemeinschaft“ könnte ich mir doch glatt unter den Ortseingangsschildern von Langerfeld vorstellen. Gern auch in Plattdeutsch.
Ihr Schorse aus Langerfeld, der von seiner Liebsten manchmal gefragt wird, ob er einen Knall hat.