Wuppertaler Schwebebahn 2025
Vorab: Am 17.10.2013 riss in Wuppertal eine Schwebebahn während der Fahrt ein 250 Meter langes Stück der Stromschiene ab, von der Teile auf die darunter liegende Fahrbahn der Bundesstraße 7 stürzte. Die Schwebebahn kam zwischen zwei Haltepunkten zum Stillstand und in einer langwierigen Rettungsaktion wurden die 76 Fahrgäste und die Schwebebahnfahrerin von der Feuerwehr mittels des Rettungskorbes einer Drehleiter auf festen Boden gebracht. Wegen einer leicht verletzten Autofahrerin nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Der Schwebebahn-Ersatzverkehr fand traditionell mit Gelenkbussen statt, die bei der Wuppertaler Bevölkerung in etwa so beliebt sind wie Hundedreck am Schuh. Aufgrund der langwierigen Ermittlungen fuhr die Schwebebahn auch einen Monat nach dem Unfall noch immer nicht. Der spürbare Unmut der Bevölkerung führte zur folgenden Fiktion.
Für nicht eingeweihte Personen, die sich mit dem Geheimnis des gemeinen Wuppertalers nicht auskennen, möchte ich ebenfalls vorwegschicken, dass der Wuppertaler zwei sehr prägende Eigenschaften in sich trägt. Er ist sehr herzlich und er meckert gern. In Wuppertal über alles Wuppertalerische zu meckern, hat Kultur. Insbesondere bei Ereignissen, die schon lange eigentlich Geschichte sein sollten, wird gern und mit hohem Elan gemeckert. Um am Ende alles in Friede, Freude, Eierkuchen aufgehen zu lassen. Der Wuppertaler ist also grundsätzlich sehr freundlich und zugewandt, außer er ist Busfahrer und arbeitet gerade. Oder Bäckereifachverkäuferin und arbeitet gerade. Oder Autofahrer auf der B 7. Aber das ist eben Wuppertal. Erfahren Sie also nun, wie es mir kürzlich erging, als ich im Jahr 2025 zu Wuppertals Ex-Wahrzeichen befragt wurde.
Während eines Spaziergangs in der Mittagspause eröffnete mir mein junger Kollege, dass er seit Wochen darüber nachgrübelt, welchen Sinn jenes Bauwerk aus Stahl über dem Flüsschen hier neben unserer Arbeitsstätte habe. Nirgendwo fände man Hinweise auf diese ungewöhnliche Form eines sinnlosen und fehlgeschlagenen Viaduktnachbaus in Wuppertal. Er habe sich bisher nicht getraut, Passanten zu befragen, scheue er doch die Identifikation als Trottel aus der Großstadt Ruhrgebiet (Die größte Stadt Deutschlands mit den Stadtteilen Bochum, Essen, Dortmund, Gelsenkirchen, Herne, Castrop-Rauxel und vielen mehr).
Ich begann ihm zu erklären, was es mit diesem Bauwerk auf sich hat. Das Stahlgerüst über der Wupper, einem inzwischen völlig denaturalisierten Fluss im Stadtteil Wuppertal der Großstadt Bergischland, wurde vor vielen Jahrzehnten unter kaiserlicher Herrschaft erbaut. Bis zum Jahr 2013 diente es mit den „hängenden Bussen von Wuppertal“, offiziell „Schwebebahn“ genannt (obwohl die Bahn ja immer hing und niemals schwebte, außer vielleicht kurzzeitig bei einem Unglück, wo sie in die Wupper fiel), als Verkehrsmittel von einem Beinahe-Stadtende zum anderen.
Die Schwebebahn war sehr beliebt und wurde fleißig von Einwohnern wie Touristen genutzt. Ja, sie galt sogar als Wahrzeichen der Stadt Wuppertal und fand sich sogar als Bilderdruck auf Unterhosen wieder. Alles war gut bis zu jenem unglücksseligen Tag im Oktober 2013, als es einen technischen Defekt an der Schwebebahn gab und die Anlage ins Visier der staatlichen Rechtsverfolgungsorgane geriet. Im Zuge der unweigerlich folgenden Begutachtungen, Widersprüche, Klagen und Interessengefechte geriet das eigentliche Objekt der justiziären Beschäftigung immer mehr in den Hintergrund. Im Rahmen eines verzweifelten Klageverfahrens versuchte der Stadtrat Wuppertals ein letztes Mal vor seiner Auflösung im Zuge der Großstadtgründung 2020, das Gespräch auf den Nutzen der Schwebebahn für die Region zu bringen. Doch inzwischen gab es neue Gutachten die belegten, dass aufgrund der mangelnden Nutzung und Wartung (es gab schließlich ein staatanwaltlich verfügtes Betretungs- und somit Wartungsverbot) die Trag- und Stromschienen der Schwebebahn nicht mehr betriebssicher wären.
Da die Großstadt Bergischland ab dem zweiten Jahr ihrer Gründung bereits einen Nothaushalt führen musste, fehlte nun das Geld für die Sanierung, wenn es denn schon eine Freigabe der Bahn gegeben hätte. Diese erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes im November 2024. Die Schwebebahn war nach 11 Jahren Brache wieder betreibbar. Der Jubel der Bevölkerung bekam jedoch einen Dämpfer, als der Bezirksbürgermeister Alt verkünden musste, dass die Sanierung der Schwebebahn bis zur Betriebsfähigkeit voraussichtlich 103 Millionen Euro verschlingen würde. Erschwerend kam hinzu, dass wegen der zweiten Beschleunigung des Umbaus Döppersberg ein Teilstück der Schwebebahn zwischen den Stationen Kluse und Adlerbrücke 2015 abgerissen wurde. Ursache dafür war eine fehlerhafte Sprengung der westlichen Mauer des Luftschutzbunkers unterhalb des Döppersberg und die immens gestiegenen Einsparungsversuche wegen unerwarteter Kostensteigerungen.
2024 war also guter Rat teuer und so beschloss der Bezirksrat Anfang 2025 das entwidmete Baudenkmal Schwebebahn zu einem gemeinsamen Projekt der Stadt Bergischland und dem Jobcenter zu erklären. Man entsann sich der mehr als nur guten Erfahrungen beim Bau des „Aktionsweges Nordbahntrasse“ und rief ein Bürgerforum zur Meinungsabfrage ins Leben.
Meinem jungen Kollegen konnte ich gestern also voller Stolz berichten, dass die Bevölkerung des Stadtteils Wupperteil mehrere konstruktive Vorschläge zur künftigen Nutzung des Schwebebahngerüsts erarbeitet hat. Als indiskutabel wurde der Vorschlag vom „Denkmalschutzverein Wuppertaler Schwebebahn“ abgewiesen, wonach die Schwebebahn Teil des UNESCO Welterbes werden solle. Mit harschen Worten wie „Schrotthaufen“ und „Geldvernichtungsmaschine“ wurde dieser Diskussionspunkt fruchtlos abgebrochen. Positiv diskutiert wird hingegen die Umnutzung zur „High Speed Cycle“-Strecke, auf Deutsch einer Radfahrtrasse mit der Möglichkeit von Hochgeschwindigkeitsfahrten. Dazu benötigt es lediglich das Aufbringen einer tragenden Betonschicht über der Stromschiene und einer entsprechenden seitlichen Absturzsicherung. Ein anderer, heiß diskutierter, Vorschlag behandelt die Nutzung als Spazierweg für Fußgänger mit Ausbau der ehemaligen Schwebebahnstationen als Café und für kulturelle Zwecke. Veranstaltungen wie „Schwebebahn bei Nacht“ mit farbiger Beleuchtung und Themenabende weckten Stürme der Begeisterung.
Da im Zuge der sechsten Umgestaltung des Döppersberges 2019 die ehemalige „Talachse B7“ zur Fußgängerzone erklärt wurde, regten die beiden Parteien „Die Grünen“ und „Linke“ eine Widmung des Gerüstes über der Wupper zum „Gassi-Gang“ an. So sollen nach den Vorstellungen der Tierliebhaber Wuppertals künftig Hunde ausschließlich auf der ehemaligen Schwebebahnstrecke ausgeführt werden dürfen. Kleine Unterbrechungen im Asphalt der Laufstrecke über der Wupper sollen für eine zügige und problemlose Entsorgung der Exkremente in den Lauf der Wupper sorgen. Erste von den Grünen in Auftrag gegebene Studien haben belegt, dass die anfallenden Mengen an Hundekot keineswegs die Nitratbelastung des Gewässers erhöhen würden, sondern vielmehr dafür sorgen könnten, dass der seltene Wipper-Aal sich wieder in der Wupper ansiedelt. Ein positiver Nebeneffekt wäre die Erleichterung der Arbeit unserer tapferen Mitarbeiter des Ordnungsamtes bei der Fahndung nach Hundekotverursachern.
Vorschlagsfavorit der Bürger scheint zum heutigen Zeitpunkt jedoch die vollständige Verkleidung des Gerüstes entlang der Wupper zu werden. Teilweise innen beleuchtet sollen ab dem Verkehrsknotenpunkt Oberbarmen Wildwassertouren im künftigen Tunnel stattfinden. Das grausige Quietschen des damals touristisch genutzten „Kaiserwagens“ und die unheimlichen Geräusche an der Wendekurve Oberbarmen würden für ebenso starken Nervenkitzel sorgen wie die Durchquerung des Chemiewerkes in der Nähe des Arrenberges. Dieses könnte der Großstadt Bergischland den erhofften Schub für den Ausbau des geplanten „Ruinenpark Wuppertal“ bringen. Der „Abenteuertunnel Schwebebahn“ wäre die ideale Verknüpfung zwischen der „Geisterstadt Homepark“ (Man erinnert sich: Die fehlende Genehmigung zum Bau eines IKEA Möbelhauses wegen mangelndem Lärmschutz führte nach der Klage der damaligen Stadt Wuppertal zur gerichtlich verfügten Evakuierung aller Einwohner und Gewerbebetriebe im geplanten Baugebiet, weil das Gericht ungewünscht konsequent den Einwänden der Bewohner gefolgt war.) und der „Autobahnruine Blombach“, deren sechs Fahrspuren niemals fertig gestellt wurden und heute ein Kult-Treff der jugendlichen Skater ist.
Ich konnte heute somit meinen Kollegen trösten, er brauche sich nicht zu schämen. Die ständigen Änderungen in den Vorhaben unserer Stadt sind selbst für Wuppertaler schwer zu verfolgen. Irgendwann wird sich sicher ein Mensch daransetzen, die Geschichte aller seltenen Bauwerke und Ruinen Wuppertals niederzuschreiben. Bis dahin braucht man aber nur Leute wie mich zu fragen, die älteren und gelassenen Zugereisten. Diejenigen nämlich, die Wuppertal auch mal spannend finden, gernhaben und nicht immer nur meckern.